Mittwoch, 26. Dezember 2012

Weihnachten 1944 mit schwerwiegenden Folgen


... Bauer Grosan hat gegen Abend das Vieh und seine beiden Pferde beschickt, hat mit "Hans" und "Liese" die übliche kurze Abendunterhaltung geführt, die immer damit endet, dass beide nicht mehr jungen Braunen ihre weichen Pferdenasen fast liebkosend an das stoppelige Gesicht ihres Herrn stupsen. Es ist der Abend vor Weihnachten. Nun steht er sinnend vor der Stalltüre und raucht ein Pfeifchen. 

"Gewiss ist der Wagen fertig" denkt er "aber Gott möge mich behüten ihn so benutzen zu müssen".
 Bei diesen Gedanken  sieht er über dem großen Wald den Himmel sich röten, das Unheil nimmt seinen Lauf. "In vier Stunden müsst ihr Anschluss an den großen Treck haben", lautet die Nachricht, die ihn bald von seiner Gemeinde erreicht.

Das Vieh wird losgemacht und kräftig mit Futter versorgt und den Bauern mit seiner Frau ziehen schnaufend die beiden Braunen über die schneeverwehten Wege, Richtung Westen.

Doch schon in der Nacht wird der lange Treck durch ein markerschütterndes "Stoi" und eine Anzahl Schüsse auseinandergerissen. Der treue "Hans" liegt verendend in seinen Sielen und während der hinkende Bauer Grosan, zusammen mit vielen anderen Männern den Marsch nach Russland antreten muss, spannt die Bäuerin geistesgegenwärtig die "Liese" aus und gewinnt mit ihr wieder den Anschluss an den Treck gen Westen. Der Weg ist schwer, nicht nur für die Bäuerin, sondern auch für Liese, doch beide wollen leben und kämpfen sich durch das schneeverwehte und eisigkalte Land.

Nach den Bangen um das Los des Mannes, tritt die Sorge um das Futter für den vierbeinigen Gefährten in den Vordergrund. Doch es gelingt der Bäuerin, mit Hilfe von Weggenossen, sich mit ihrem Pferd durchzuschlagen und die Elendsstraßen zu überwinden, um letztendlich in einem Dorf des Westens Unterschlupf für sich und ihr Pferd zu finden.

Während Bauer Grosan lange Jahre im Osten Frondienste leisten muss, welche er nur durch seine derbe Bauernnatur übersteht, steht seine Frau tapfer am Scharwerk und "Liese" muss durch Gespanndienste unter fremden, lieblosen Händen ihr Leben fristen. Noch oft, wenn ihr abends das Futter gestreut wird, sucht ihre Nase wie früher das Gesicht ihres Herrn. Noch oft spitzt sie die Ohren, um nach der Stimme zu horchen, die zu Hause zwar hart aber doch vertraulich ihre Pferdeseele beeindruckt hat. Kein "Hans" mehr an ihrer Seite, kein Herr, der ihr so kräftig und doch so liebevoll aufs Hinterteil klopfte. Nur am Sonntag, wenn alle Arbeit ruht, schleicht sich die Bäuerin in den Stall an Lieses Seite. Sie legt ihre Arme um den noch immer schönen Hals der Stute und drückt ihr zerfurchtes Gesicht an deren Nase. Dann stehen sie eine Weile ganz still. Ob auch Liese erfassen mag worum es geht? Und die Bäuerin sitzt dann wohl ein, sogar zwei Stunden auf der leeren Kiste am Kopfende ihres Pferdes und spricht leise von dem, was ihr Herz bewegt, so als solle auch die treue Liese um Alles Bescheid wissen. Sie, die über zwölf Jahre lang den Bauern in der Heimat diente und deren Rücken dem damals heranwachsenden Erbsohn einen Großteil seiner Welt bedeutete - und scheint es nicht, als ob das Tier an Allem Teil nimmt?
Lieses Kopf geht langsam auf und nieder, hin und her, während die Kette leise klirrt und wieder scharrte sie mit den Hufen, so als wollte sie sich besonders vernehmlich zeigen. Dann schweigen Beide und langsam geht die Bäuerin wieder in ihre Kammer zurück. Der Feiertag ist zu Ende ...

Während die Beiden jahrelang so leben, ist Bauer Grosan wieder im Westen angelangt und findet nach vielen Mühen seine Frau. Die große Wiedersehensfreude verdrängt den Kummer des Alltags. Schon am nächsten Abend geht es zu Liese. Der harte Mann steht bange vor der Stalltüre, wie ein kleiner Junge vor dem Weihnachstisch. Dann betritt er den Stall. "Na Lieske?!" In diesen beiden Worten des ostpreußischen Bauern liegt alles enthalten, was er nach jahrelanger Trennung zu sagen hat. Es folgt ein derber Klapps auf Hinterteil und Hals, doch dann gleitet fast behutsam die harte Hand über den immer noch schönen Kopf der alten Stute. Liese spitzt die Ohren und ein kurzes Wiehern gibt die Antwort.

Nach langen, bitteren Jahren erfährt Bauer Grosan wieder das Wohlgefühl, wenn eine weiche Pferdenase an seine eingefallenen Wangen stößt. Noch lange steht an diesem Abend das heimatlose Bauernpaar um seine Liese, die ihnen nunmehr Alles bedeutet, denn auch der Erbbauer kommt nicht zurück. Zwei Menschen und nur ein Tier aber doch drei gleichgesinnte Seelen, so will es scheinen. Die alte Stute schiebt sanft ihren Kopf auf die Schulter ihres Herrn und nicht einmal der Futterknecht ihres jetzigen Arbeitgebers wagt es, in dieses feierliche Geschehen einzugeifen.



In fremdem Marschland haben die Grosans jetzt eine winzige Siedlerstelle. Sie sind es gewohnt mit der Natur einen schweren Kampf zu führen und diese Arbeit dennoch zu lieben. Die alte Liese zieht wie einst zu Hause den Pflug durch den Boden, sie schaffen vom Morgen bis zum späten Abend. Doch wenn im Westen die Sonne blutrot über dem See steht, wandert des Bauern Blick voller Sehnsucht nach dem dunklen, versinkenden Osten, wo weit, weit hinten seine Heimat liegt. Er nimmt die gute Liese an den Zügel und Beide wandern müde auf die Siedlung zu. Die Gespräche, die abends im heimatlichen Stall geführt wurden, sind längst verstummt. Nur wenn die weiche Pferdenase wie tröstend das Gesicht des Bauern Grosan sucht, hört man ihn die alles sagenden Worte murmeln:
 "Ja, ja meine Lieske"




Dienstag, 25. Dezember 2012

Eine außergewöhnliche Weihnachtsgeschichte

Franz Fäsel mit "Keith" in Trakehnen

Dies ist ein Beitrag aus einer Regionalzeitung vom 24. Dezember 1970.
Ich weiß leider nicht wer der Erzähler dieser bewegenden Geschichte ist ...

Zwei alte "Trakehner" trafen sich

Der letzte noch im Hauptgestüt geborene "vierbeinige Flüchtling" wieherte


Ich zitiere ...

Diese Tage sind für viele eine Zeit des Wiedersehens. Autoschlangen und überfüllte Züge beweisen es. Die wahrscheinlich seltenste Begegnung von zwei "alten Bekannten" in dem zu Ende gehenden Jahr erleben wir mit. Der Zufall hat uns den Faden in die Hand gespielt. Wir haben ihn zu Ende gesponnen.  

Es beginnt im altehrwürdigen Rathaus von Höxter. Das Gespräch über die kommunale Zusammenarbeit mit dem benachbarten Holzminden geht zu Ende und gleitet in andere Bereiche. Es springt über die Weser zum Solling, führt in das Trakehner Gestüt Hunnesrück, rührt ein wenig in der Vergangenheit und bleibt schließlich an einem Namen hängen: Franz Fäsel. 

Eine Stunde später sitzen wir dem mittelgroßen schlanken Mann gegenüber, der mit jeder Bewegung und jedem Blick der lebhaften Augen seinen fast 78 Jahren Lügen straft. So bedächtig wie er noch ein paar Scheit Holz in den Ofen schiebt, erzählt der Gestütsoberwärter uns im breitesten Ostpreußisch in der nächsten Stunde vom dem abenteuerlichen Treck der Trakehner Pferde, mit denen er und vorher schon sein Vater und Urgroßvater aufgewachsen sind. 58 einjährige Hengste brachte er im Herbst 1944, teils per Bahn, teils zu "Huf" in die Sicherheit und Stille von Hunnesrück. Noch heute huscht die Freude bauernschlauer List über sein Gesicht mit der ihm die Flucht gelang obwohl ein gewisser Herr "Koch", der damals Gauleiter war, die Pferde nicht weglassen wollte. Die sollten wohl erst mal "mit den Panzern um die Wette laufen". Es war der erste Akt der größten und dramatischsten Flucht von über tausend Pferden, die Jemand das "Heldenstück der Trakehner" nannte. 

Das kleine Zimmer in dem einstigen Klostergebäude von Hunnesrück wird zum Lehrsaal über die Pferdezucht im Allgemeinen und über die Trakehner im Besonderen. Das Kolleg beginnt mit dem Hinweis auf Pythagoras, nicht den "mathematischen", sondern den Trakehnerhengst dieses Namens. Sein Bild ist neben einer Aufnahme von "Altan", den Fäsel mit nach Hunnesrück brachte, und den Fotos einer Enkelin und seiner verstorbenen Frau, der einzige Schmuck an den Wänden. Der Gestütsoberwärter entpuppt sich als ein Gedächtnisgenie. Ohne nachdenken zu müssen zählt er ganze Geschlechterfolgen von Trakehnern auf. Er erzählt von Tempelhüter - "das war der beste Hengst, den wir jemals hatten" - spricht nur in Superlativen und kramt das Bild des Tempelhüter-Denkmals vor dem Schloß in Trakehnen aus einer Schublade. "Hansakapitän von Bussard aus der Hanseatin", "Altan von Hirtensang aus der Alicante", ein prächtiger Fuchs mit Stern und weißen Schippelchen" - die Namen und Beschreibungen purzeln dutzendweise von den schmalen Lippen. 

Ob es noch Pferde in der Bundesrepublik gibt, die vor der Flucht im Hauptgestüt Trakehnen geboren wurden, fragen wir. Franz Fäsels Augen leuchten auf: "Ein einziges, soviel ich weiß". Dann hält der alte Mann wieder das Bild von "Pythagoras" in der Hand, und wir erfahren, das dieser neben vielen anderen mit "Ketzerin" einen berühmten Sohn hatte. Im nächsten Augenblick fällt der Name, der aus einem Gespräch ein Erlebnis werden läßt: KEITH. "Ich kenne ihn vom ersten Tage an. Es war der 20. Dez. 1941." Nachdenklich fügt Fäsel hinzu, dass der Hengst, der zu den besten Vererbern der Nachkriegsjahre zählt, viele Jahre im Landgestüt Celle eine neue Heimat fand." "Und wo steht er jetzt?" Er weiß es nur ungefähr: "In der Nähe von Peine" und nach einer Pause: "Ich werde ihn nicht mehr sehen".

Eine Woche später - wir haben inzwischen die Anschrift von Keith's Altensitz erfahren - sitzen wir wieder in dem kleinen Raum in Hunnesrück und vor uns steht gestiefelt und gespornt im blauen Rock des Gestütsoberwärters - "Das ist noch Tuch, den Rock trug ich schon in Trakehnen" - Franz Fäsel, und auf geht die Fahrt nach Gilde bei Gifhorn. Zwei Stunden später steigen wir auf dem Hof des Bauern Hans Steinbrück (59) - was könnte er anderes sein als Ostpreuße und Trakehnerzüchter - aus dem Wagen. In dem Stall blicken uns aus dem Halbdunkel der Boxen ein halbes Dutzend Pferde entgegen. Fäsel sieht nur Eines: "Da biste ja!" sagt er dann und streichelt mit einer Zärtlichkeit den braunen Hals, als wäre es noch das staksige Fohlen des Dezembertages 1941, und der Hengst spitzt die Ohren und reibt die Nase an dem blauen Rock, als schnupperte auch er einen Hauch Trakehnen... 

"So, nun machen sie mal ein schönes Foto von uns Beiden." Hans Steinbrück führt "Keith" auf den Hof. Fast 30 Pferdejahre, das entspricht 120 Menschenjahren, ist der Fuchs alt. Wir haben immer an einen "Dattergreis" gedacht, wenn von ihm die Rede war. Jetzt machen wir große Augen. Vor uns steht ein Keith, der nicht "aufgestellt" werden muss, um mit der halben Elchschaufel auf der Rechten Hinterhand für das Hauptgestüt Trakehnen Ehre einzulegen. Er präsentiert sich neben seinem Feund seiner Kindheit, als hätte ihm jemand nochmal eine Beschreibung im "Trakehner Hengstbuch" vorgelesen: "Eine glanzvolle Erscheinung, mit trockenem Fundament, guter Körpertiefe und -Breite und schwungvollem Gang". Obwohl unser Hirn mangels Pferdeverstandes das fachmännische Urteil nur unzulänglich zu erfassen vermag, Eines begreifen wir: dass auf diesem alten Bauernhof nicht nur das letzte Pferd aus der Urzelle der Trakehner vor uns steht, das die tausend Kilometer Flucht nach Westen überstand, sondern auch "eines der Besten". 

Als könnte er unsere Gedanken lesen, malt uns Hans Steinbrück den Stammbaum auf ein Blatt Papier und weist voll Stolz darauf hin, dass in "Keith's" Adern sowohl von der Mutter "Ketzerin" wie vom Vater "Pythagoras" her das Blut des berühmtesten Trakehnerhengstes "Tempelhüter" fließt. Dass seine Großmutter väterlicherseits "Pechmarie" hieß, hat ihm zweifellos Glück gebracht. Vor vier Jahren zum Beispiel, als er in Celle schon "abgemustert" werden sollte und der Tierarzt seinem jetzigen Besitzer nicht sagen konnte ob der Hengst noch ein halbes- oder nur ein viertel Jahr leben würde. Hans Steinbrücks Vertrauen in den Fuchs war stärker und er holte ihn "im letzten Augenblick von der Schippe". Und nun hat er bei Ihnen gute Pflege und sein Gnadenbrot??? Steinbrück schmunzelt verschmitzt: "Gute Pflege? Ja! Gnadenbrot? Das ich nicht lache!" Noch immer erfreut sich Keith bester Gesundheit, empfängt er Besuche von "Trakehnerdamen", wiehert er Vaterfreuden entgegen, während sich in den Trakehnergestüten der Bundesrepublik und im Ausland längst seine Enkel und Urenkel tummeln. Und viele sind darunter, die zu den "Besten" gehören. 

In Hunnesrück aber drückt uns ein alter Mann, der mit Trakehnen und seinen Pferden aufgewachsen ist, die Hand: "Dass ich den Keith noch einmal gesehen habe, ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk." Silvester wird Franz Fäsel 78 Jahre alt und beim letzten Glockenschlag des alten Jahres sein "Freund Keith" im Steinbrück`schem Stall in Gilde 30, denn alle Pferde haben hier am 1. Januar Geburtstag....


Hier noch einmal ein Bild von "Keith". Er wurde übrigens echte 35 Jahre alt.



Sonntag, 23. Dezember 2012

(6) Geschichtlicher Abriss der Pferdezucht (Ostpreußens) - 20. Jahrhundert


Hauptbeschälerstall in Trakehnen

 

20. Jahrhundert


1900: In Celle beginnt der Hengst "Nelusko", Sohn des Ostpreußen Neckar, seine Gestütslaufbahn.

1900: Napoleon III. vollendet in Frankreich den Wiederaufbau der Gestütsanstalten mit der Einrichtung von 22 neuen Hengstdepots.

1900 - 1905: Das General Stud Book meldet einen Export von 1.514 Hengsten und 2.038 Stuten.

1901: Der zweite Band des Trakehner Stutbuchs erscheint.

Auf dem Pferdemarkt in Wehlau werden zu dieser Zeit 20.000 Pferde im Jahr geschätzt.

1903: "Von Oettingen" kauft den berühmten "Perfectionist xx" in England, Brauner, geb. 1899, als Hauptbeschäler in Trakehnen von 1904 - 1906.

1903: Aus Russland wird überliefert, dass dort 6 staatliche Hauptgestüte und 30 Landgestüte bestehen. Zudem gibt es 4000 Privatgestüte, darunter 1500 der Traberrasse.

1904 - 1906: "Perfectionist xx" bringt auf Anhieb drei Hauptbeschäler hervor: 1904 "Tempelhüter", 1905 "Irrlehrer" und 1906 "Jagdheld".

1905: "Dark Ronald xx", der bisher erfolgreichste Vollblutvererber in Seutschland, wird in England geboren. Nach Ankauf für 500.000 Mark bezog der Beschäler 1914 eine Box in Graditz (bis 1927).

1906: Das von Landstallmeister "von Oettingen" 1897 begonnene, umfassende Gebäude- und Gartenbauprogramm in Trakehnen wird abgeschlossen. Dieses Bauprogramm weist einen Kostenaufwand von 1,5 Millionen Mark aus. Unter vielem Anderen sind neue Wohnungen für 1.350 Menschen entstanden.

1907: Nach Abschaffung der Hengst-Prüfungsrennen in Insterburg (1890-1902) setzt "von Oettingen" auf vielseitige Leistungserprobung. Es wird eine eigene Meute für Trakehnen angeschafft.

1907: 998 Warmbluthengste decken in Ostpreußen 49.631 Stuten.

1907: Der Erfinder des modernen Springstils - Frederico Caprilli - stirbt.

1908: Aus Frankreich wird der Anglo-Araber "Nana Sahib x", Schimmel, geb. 1900, eingeführt, als Hauptbeschäler tätig in Trakehnen bis 1922.

1909: Der dritte Band des Trakehner Stutbuchs erscheint.

1909: Allenstein wird Sitz eines neuen Regierungs-Bezirkes.

1910: Equipagen beherrschen das Bild des Nahverkehrs noch wie eh und je.

1911: Erstes großes Querfeldeinrennen in Trakehnen.

1912: "Kurt Graf von Sponeck", Schwiegersohn des als Oberlandstallmeister nach Berlin gehenden "von Oettingen", übernimmt die Leitung in Trakehnen (bis 1922).

1912: Die ersten plympischen Reiterspiele der Neuzeit finden in Stockholm statt.

1912: Der große Vererber "Alderman I" wird in Celle aufgestellt. Seine Mutter ist die Tochter des Ostpreußen "Gessler".

1912: Der Regierungs-Bezirk Gumbinnen und Teile des Regierungs-Bezirks Königsberg werden zu Reinzuchtgebieten für die Warmblutzucht erklärt.

1914: Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Zuchtbestände Trakehnens fliehen im Juli und August ins Innere des Reiches. Extrazüge rollen dafür ab Stallupönen und Gumbinnen.

1915: Gegen Ende des Jahres herrscht große Zerstörung in Trakehnen. Ein Teil der Gestütspferde kann jedoch nach Trakehnen zhurückkehren. Erst 1919 treffen die letzten Teile aus Schlesien ein.

1916: Eine erste Ausgabe des Stutbuchs für schwere Arbeitspferde erscheint. Die Zucht des Kaltblüters erhält zu dieser Zeit viel Auftrieb.

1916: "Tempelhüter", Dunkelbrauner, geb. 1904 in Trakehnen, wird als Hauptbeschäler nach Trakehnen geholt, nachdem er seit 1908 als Landbeschäler in Braunsberg aufgestellt war. Er wirkt bis zu seinem Lebensende als Hauptbeschäler in Trakehnen, wo er 1933 hochberühmt stirbt.

1914 - 1918: Ostpreußen verliert im Ersten Weltkrieg 135.000 Pferde, darunter 25.000 Zuchtstuten und somit 57 % der eingetragenen Bestände. 1918 werden als Ausgleich 4.767 Stuten aus Heeresbeständen für die Zucht freigegeben.

1918: Nach Ende des Krieges scheinen Reit- und Heeresremonten nicht mehr gebraucht zu werden. Die Landwirtschaft fordert ein stärkeres Pferd mit mehr Masse.

1920: Der Rennsport fängt sich recht schnell wieder. "Herold xx" wird als Derby-Sieger in Hamburg gefeiert. Gustav Rau begründet die Ländlichen Reit- und Fahrvereine und forciert den Reit- und Turniersport.

1920: Die Reichswehr entsteht. Es werden wieder vermehrt Remonten gebraucht.

1920: Hannover richtet eine staatliche Hengstaufzucht in Hunnesrück bei Einbeck ein.

1920: Die staatliche Vollblutzucht zieht um nach Altefeld. In Graditz verbleibt die Halbblutzucht.

1920: Von 376 Gebäuden in Trakehnen müssen 83 völlig neu wiederaufgebaut werden, darunter auch der Speicher.

1921: Der Anglonormanne "Floral" wird Hauptbeschäler in Trakehnen. Er wird jedoch vom Stutbuch nicht anerkannt und 1923 wieder ausrangiert.

1921: Zu den Hauptbeschälern dieser Epoche gehört der weltbekannte "Cancara", Schimmel, geb. 1917 in Trakehnen.

1921: Das Remontenamt Kattenau kommt zum Hauptgestüt Trakehnen hinzu und rundet das Gesamtareal mit zusätzlichen 7.100 Morgen auf fast 24.000 Morgen ab. Damit hat Trakehnen seine größte Ausdehnung erreicht und optimale Voraussetzungen für Zucht und Aufzucht erlangt.

1921: Bei allem - gemäßigten - Aufschwung kündigen sich dennoch Absatzschwierigkeiten in dem nun vom Reich abgeschnittenen Ostpreußen an. So kommt es bald zu Notverschiffungen, vor Allem nach Russland.

1922: "Siegfried Graf von Lehndorff", Sohn des Oberlandstallmeisters, übernimmt die Leitung Trakehnens (bis 1931).

1922: Die doppelte Elchschaufel wird als Hauptstutbuchbrand, des neu gegliederten Ostpreußischen Züchterverbands, eingeführt.

1923: "Graf Lehndorff" holt "Dampfroß", Brauner, geb. 1916, als Hauptbeschäler nach Trakehnen. Dieser Hengst leistet gemeinsam mit "Tempelhüter" Überragendes in der Zucht.

1923 / 24 / 25: In Pardubitz gibt es große Sieger aus Trakehnen und Ostpreußen: "Landgraf II" (1923 und 1925) und "Herero" (1924).

1925: 106 Reitvereine mit 3.000 Aktiven sind in Ostpreußen registriert und helfen indirekt der Zucht.

1925: Besonders schwere Hengste werden in der Trakehner Rappherde verwendet, so auch "Ararad", geb. 1921 in Trakehnen.

1925: Generalfeldmarschall "von Hindenburg" wird Reichspräsident.

1925: In Hannover wirkt "Feiner Kerl", einer der ganz großen Vererber überhaupt. Nebebn Celle wird auch Osnabrück als Landgestüt eingerichtet.

1925: In Hannover entsteht die Hengstprüfungsanstalt Westercelle.

1926: In Ostpreußen entsteht die Hengstprüfungsanstalt Zwion.

1928 / 29: Weitere Siege von Trakehnern in Pardubitz: "Vogler" (1928) und "Ben Hur" (1929).

1929: Als Folge der großen Weltwirtschaftskrise erfolgt die Auflösung von Gudwallen (die Hengste kommen nach Georgenburg) und Beberbeck (die Zuchtpferde kommen nach Polen). Es herrscht Notstand in der deutschen Pferdzucht.

1931: Eröffnung des Empire State Building am 1. Mai.

1931: Landstallmeister "Dr. Ehlert" übernimmt die Leitung Trakehnens (bis 1944).

1931: Der Trakehner "Morgenglanz" gewinnt das Springderby in Hamburg.

1931: Der Hengst "Pilger", Brauner, geb. 1926 in Trakehnen, v. Luftgott a.d. Herdmütterchen v. Tempelhüter, wird Hauptbeschäler in Trakehnen.

1931: Der Hengst "Kupferhammer", Fuchs,  geb. 1928 in Trakehnen, v. Parsival a.d. Kronhüterin v. Tempelhüter, wird Hauprbeschäler in Trakehnen.

1931: Reitjagden bleiben ein wesentlicher Wertungsfaktor für die Weiterentwicklung Trakehnens.

1932: Die 200-Jahr-Feier Trakehnens und der Preußischen Gestütsverwaltung steht im Mittelpunkt der Züchter- und Reiterwelt. Das Werk "200 Jahre Preußische Gestütsverwaltung" erscheint. Oberlandstallmeister "Gatermann" benutzt das Jubiläum, um gegen die Etatschwierigkeiten anzukämpfen.

1932: Der noch lebende, 28-jährige Hauptbeschäler "Tempelhüter" wird von "Kuebart" modelliert und in Berlin in Bronze gegossen.

1932: Der Trakehner "Remus" siegt in Pardubitz.

1933: Roosevelt wird 32. Präsident der USA.

1933: Der Graditzer Hengst "Alchimist xx" gewinnt das Deutsche Derby.

1933: Der Hengst "Termit", Fuchs, v. Hyperion a.d. Technik v. Tempelhüter, der spätere Vater von "Abglanz", wird in Trakehnen geboren.

1932: Der Hengst "Pythagoras", Brauner, geb. 1927 in Trakehnen, v. Dampfroß a.d. Pechmarie v. Tempelhüter, wird Hauptbeschäler in Trakehnen und gibt das Blut seines Vaters in wertvoller Verbindung zu Tempelhüter in bahnbrechender Weise weiter. Er wird der größte Vererber dieser Zeit.

1934: Der Schimmel "Nanuk", Trakehner Abstammung, gewinnt unter Irmgard von Opel das Deutsche Springderby.

1934: Der Remonteabsatz steigt langsam wieder an (auf 2.533).

1934: Gustav Rau folgt Gatermann im Amt des Preußischen Oberlandstallmeisters.

1934: Ostpreußen gewinnt in Hamburg anlässlich der DLG das Mannschaftsspringen der deutschen Zuchtgebiete.

1934: Die Rennbahn Trakehnens erhält Tribünen für das zweitschwerste Querfeldeinrennen der Welt, das "Von-der-Goltz-Memorial". Es ist seit 1931 über 6200 m führend.

1934: Am 2. August stirbt Generalfelmarschall und Reichspräsident "Paul von Hindenburg" auf seinem Landsitz Gut Neudeck, Ostpreußen und wird im "Denkmal der Schlacht bei Tannenberg" beigesetzt.

1935: Der Ostpreuße "Herold" gewinnt die Pardubitzer Steeplechase zum zweitenmal.

1936: Der Ostpreuße "Dedo" ist bestes Pferd beim Preis der Nationen in New York.

1936: Im Landgestüt Osnabrück sind die Trakehner Hengste "Hagen" und "Semmering" eingesetzt.

1936: Im hannoverschen Zuchtgebiet steht der Celler Landbeschäler "Detektiv" auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn.

1936: Die Olymischen Reiterspiele in Berlin dokumentieren die hohe Qualität des Ostpreußischen Pferdes Trakehner Abstammung. "Nurmi" gewinnt Gold in der Military, "Kronos" gewinnt Gold und "Absinth" Silber im Großen Dressurpreis. "Gimpel" und "Fasan" tragen entscheidend zum Mannschaftsgold in der Military bei.

1937: Aus Polen kommt der Vollblutaraber Hengst "Fetysz ox" als Hauptbeschäler nach Trakehnen.

1937: Von 48 Pferden der Military in Döberitz kommen 35 aus dem ostpreußischen Zuchtgebiet.

1937: Der Graditzer "Abendfrieden xx" gewinnt das Deutsche Derby.

1938: Ostpreußen siegt im Mannschaftsspringen der deutschen Zuchtgebiete in Berlin.

1938: Eine Pferdzählung in Deutschland ergibt einen Bestand von 1,5 Millionen Pferde.

1938: Der Ostpreuße "Fahnenträger" hat nennenswerte Zuchterfolge im Landgestüt Celle.