Donnerstag, 10. Mai 2012

Das natürliche Fressverhalten des Pferdes Teil 2



... Fortsetung von Teil 1 

Pferde fressen also trotz ihrer größeren und breitflächigeren, wie Mahlsteine wirkenden Backenzähne, nicht nur viel langsamer und sorgfältiger als Wiederkäuer, sie nehmen auch die einzelnen Gräser und Kräuter, vielleicht als Folge dieses sorgsameren und gemächlicheren Kauens, wesentlich gezielter und differenzierter auf als beispielsweise ein Rind. Das selektive Aussuchen der Nahrungspflanzen geht zwar mit Abstufungen vor sich, das heißt, bei größerem Hunger wird nicht ganz so wählerisch gegrast, doch finden wir selbst bei sehr hungrigen Pferden niemals ein derart unbedachtes Verschlingen aller fressbaren Dinge, welches etwa bei Rindern bis zur Fremdkörperaufnahme mit manchmal tödlichen Folgen führt. Pferde fassen die Futtergräser mit den Lippen und beißen sie dann mit ihren breiten Schneidezähnen unter kurzem Kopfdruck nach hinten-oben ab. Je dichter und artenreicher der Pflanzenwuchs der Weide, desto sorgfältiger werden die einzelnen Gräser ausgewählt und es ist erstaunlich wie nahe ein Pferd mit seinem verhältnismäßig breiten Maul an weniger schmackhaften Kräutchen vorbeizufressen vermag oder irrtümlicherweise aufgenommene Gräser geschickt wieder seitlich herausfallen lassen kann. In die Krippe oder unter den Hafer gestreute Nägel oder sonstige Gegenstände liegen deshalb nach Beendigung der Mahlzeit selbst bei schnellen und gierigen Fressern noch fein säuberlich im Futterbarren.


Manchmal bleibt auch den Pferden nichts anderes übrig, als ungünstige Fremdstoffe mit aufzunehmen, wollen sie nicht das ganze Futter verschmähen. Bei sehr verschmutzten Grünfuttergaben im Stall wird die anhaftende Erde mitgefressen, was unter Umständen zu Durchfällen führen kann; auf ungewöhnlich stark abgegrasten Weiden rupfen die Pferde die Gräser mitsamt den Wurzeln aus und zerstören dabei die Grasnarbe, wobei sich natürlich die anhaftende Erde von den geringen Futtermengen nicht trennen lässt. Ist ihre Beschaffenheit sandig, dann kommt es bei langen Weideperioden auf sochen extrem schlechten Flächen zur schnelleren Abreibung der Schneide- und Backenzähne, da der Sand sie geradezu abschleift. Das kann in Portugal beobachtet werden, wo in einzelnen unwirtlichen Gegenden alle Stuten, welche sich dort fast ausschließlich auf den zu manchen Jahreszeiten völlig vertrockneten Weiden ernähren, aus der Zucht vorzeitig ausscheiden müssen, da sich ihre Zähne der jedes Jahr monatelang währenden Quarzsandaufnahme wegen schon mit 18 bis 20 Jahren total abgenutzt haben.

Die aus anatomischen und ökologischen Gründen äußerst zeitraubende Ernährung hat bei allen Einhufern zu einer, je nach Art wohl etwas verschiedenen, im Großen und Ganzen jedoch sehr ähnlichen, anlagemäßigen Programmierung auf eine gewisse tägliche Zeitspanne für die Nahrungsaufnahme geführt, die als natürliche Fressdauer bezeichnet wird. Das innere Verlangen eine verhältnismäßig fest eingeplante Stundenzahl am Tage zu fressen, ist in den Pferdeartigen derart tief verwurzelt, dass sie ihm vielfach auch unter unphysiologischen und unnatürlichen Verhältnissen nachzukommen bestrebt sind. Zooeinhufer, deren Gehege keinerlei Pflanzenwuchs mehr zeigen, lassen bisweilen ein Leerlaufgrasen erkennen, bei dem sie wie beim richtigen Weiden umherwandern und mit den Lippen am Boden Bewegungen ausführen, als wenn tatsächlich Gräser vorhanden wären.

Wie sehr unsere Pferde an ihre ungefähre natürliche Fresszeit gebunden sind, können viele Pferdehalter schlecht verstehen. Sie sind oft wegen der Fresssucht ihrer Lieblinge, denen ihrer Meinung nach nun wirklich nichts abgeht, entsetzt, um nicht zu sagen sogar erbost und persönlich beleidigt. Sie nehmen es ihren mit Hafer und Fertigfutter geradezu gemästeten Pferden direkt übel, dass sie sich immer noch durch ewiges Heu- und Strohfressen einen heute als besonders unfein geltenden Bauch zulegen.

... weiter zu Teil 3

1 Kommentar:

  1. Moin ... jetzt funktioniert es mit dem Folgen, mit einer kleinen Zeitverzögerung, aber es kommt an.

    LG
    Renate

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