Mittwoch, 6. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 8



Hämoglobinkonzentration und Sauerstoffkapazität

Es gilt als bekannte Tatsache, dass bei Pferden durch Training und Belastung die Ausschüttungsfähigkeit der Milz gesteigert wird (Erythrozytenausschüttung). Nach starker Belastung ist bei einem trainierten, gegenüber einem untrainierten Pferd, die Hämoglobinkonzentration und somit die Sauerstofftransportkapazität des Blutes erhöht. Bereits durch mittleres Trainig erreicht die Hämoglobinkonzentration den so genannten Plateauwert. Ein darüber hinausgehendes Training kat keinen weiteren Anstieg mehr zur Folge. Diese Begrenzung ist jedoch im Sinne einer guten Durchblutung durchaus sinnvoll, da eine zu hohe Erythrozytenkonzentration im Blut zu einer höheren Blutviskosität (Zähflüssigkeit des Blutes) führt und damit zu einer Erhöhung des peripheren Widerstandes.

Das Hämoglobin und der Sauerstofftransport

Das Hämoglobin, ein Chromoprotein, ist der Hauptbestandteil der Erythrozytentrockenmasse. Es besteht aus einer Farbstoffkomponente, dem Hämoglobin und aus einem Eiweißanteil. Im Hämoglobin befindet sich Eisen als Zentralatom, an welches druckdissoziabel Sauerstoff gebunden wird. Dies bedeutet, dass zwischen der Menge an gebundenem Sauerstoff und dem Sauerstoffpartialdruck ein Zusammenhang besteht. Bei einem hohen pO2 wird deshalb viel und bei einem niedrigen pO2 wird wenig Sauerstoff gebunden.

Dieser Sauerstoff muss aus den Alveolen (Lungenbläschen) in das Blut der Lungenkapillaren hindurch-diffundieren, um durch die Erythrozytenmembran zum Hämoglobin zu gelangen. Beim Pferd ist der Sauerstoffgehalt in den Alveolen meist ausreichend groß, um pro Zeiteinheit genügend Sauerstoff zu diffundieren und damit im Blut die Vollsättigung des Hämoglobins zu erreichen. Dabei bindet 1 g Hb maximal 1,34 ml Sauerstoff (Hüfner-Zahl). Je nach Rasse liegt der Hämoglobingehalt des Pferdes bei Vollblütern bei circa 150 g/l  und bei Warmblütern bei circa 120 g/l. Durch venöse Beimischungen von "Shuntblut" im Lungenkreislauf, liegt die maximale Stättigung des Blutes mit Sauerstoff knapp unter 100 %.

Das Hämoglobin ist das wichtigste respiratorische Pigment der Wirbeltiere (Vertebraten). Es besteht aus vier Globinuntereinheiten mit jeweils einer Hämgruppe. Jedes einzelne Hämoglobinmolekül kann sich mit vier Sauerstoffmolekülen verbinden, wobei jedes Häm ein Molekül Sauerstoff bindet. Sind alle Stellen des Hämoglobinmoleküls mit Sauerstoff besetzt, so spricht man von der 100 %igen Sauerstoffsättigung des Blutes. Ein mmol Häm kann dabei ein mmol Sauerstoff binden, was einem Volumen von 22,4 ml entspricht. Beispielsweise enthält das menschliche Blut circa 0,9 mmol Häm je 100 ml Blut. Demnach beträgt die Sauerstoffkapazität des Blutes 0,9 mal 22,4 = 20,2 ml O2/ml Blut beziehungsweise 20,2 Volumenprozent. Da die Sauerstoffaufnahmekapazität proportional zur Hämoglobinkonzentration zunimmt wird der Sauerstoffgehalt in Prozent der Sauerstoffkapazität, das heißt, als prozentuale Sättigung, angegeben. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich von Blut mit unterschiedlichem Hömoglobingehalt.

Die Sauerstoffdissoziationskurven des Myoglobins und des Neunaugenhämoglobins sind hyperbolisch. Die Hämoglobin-Sauerstoff-Dissoziationskurve anderer Vertebraten verläuft hingegen sigmoidal. Diese Unterschiede lassen sich darauf zurück führen, dass das Myoglobin ebenso wie das Neunaugenhämoglobin als Globinmonomere mit nur einer Hämgruppe vorliegen. Im Gegensatz dazu sind die anderen Hämoglobine aus vier Proteinuntereinheiten mit je einer Hämgruppe aufgebaut. Der sigmoidale Kurvenverlauf der tetrameren Hämoglobine kann durch die Kooperation von Untereinheiten erklärt werden, da die Sauerstoffanlagerung an die erste Hämgruppe die Sauerstoffanlagerung an die anderen Gruppen erleichtert. Der steile Abschnitt der Kurve korrespondiert mit Sauerstoffkonzentrationen, bei denen zumindest eine Hämgruppe von einem Sauerstoffmolekül besetzt ist, wodurch die Affinität der übrigen Hämgruppen für Sauerstoff erhöht wird. Die Oxygenierung eines Hämoglobinmoleküls geht mit einer Konformationsänderung des Globins aus dem angespannten Zustand T (tense state) in den Ruhezustand R (relaxed state) einher. Des Weiteren ist die Oxygenierung mit Änderungen der Tertiärstruktur des Moleküls in der Nähe der Hämgruppen verbunden, welche allosterisch auf die Kontaktregionen der α1β1- und α2β2-Dimere übertragen werden und die Wechselwirkungen zwischen diesen entweder schwächen oder stärken. Dies wiederum führt dann zu einer großen Veränderung in der Quartärstruktur vom T- zum R-Zustand. Diese Konformationsänderung zieht auch Änderungen im Dissoziationsgrad saurer Seitenketten nach sich und bei der Sauerstoffaufnahme werden Protonen abgegeben. Das Hämoglobin wird dadurch zur Säure!

Wie eingangs bereits erwähnt entsteht bei Belastung eine vermehrte Freisetzung von Erythrozyten aus der Milz. Bei diesem Vorgang steigt der Hämoglobingehalt des Blutes auf 200 bis 230 g/l an. Im Zuge dieser Entspeicherung wird also die Sauerstoffkapazität des Blutes immens erhöht.
Bei Belastung wird also nicht nur vermehrt Sauerstoff zur entsprechenden Muskulatur befördert, er wird dort auch leichter wieder abgegeben, da bei der Arbeitsazidose auch die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins sinkt. Dieser Vorgang wird als "Bohr-Effekt" bezeichnet und durch die gleichzeitig auftretende Arbeitshyperthermie zusätzlich unterstützt, da der Anstieg der Körpertemperatur die Sauerstoffaffinität des Blutes ebenfalls verringert.

Das Hämoglobin ist zudem in der Lage Protonen abzupuffern, da der Imidazolring des Histidinanteils des Globins Wasserstoffionen binden kann und dadurch ein Großteil des Puffervermögens des Blutes durch das Hämoglobin bewirkt wird. Bei starken Kurzzeitbelastungen ist dies von großer Bedeutung, da hier sehr viele Protonen anfallen. Wenn das Blut das Gewebe durchströmt, in welchem das oxygenierte Hämoglobin einen Teil des Sauerstoffs abgibt, verliert es dadurch an Azidität und kann somit zusätzlich Protonen aufnehmen.

Diese Entspeicherung der Milz birgt aber neben der erhöhten Sauerstoffkapazität des Blutes auch eine erhöhte Belastung für das Pferd in sich, da es durch die negative Beeinflussung der Strömeigenschaften des Blutes zu einer Zunahme der Viskosität des Blutes führt. Dies wirkt sich besonders in den Blutgefäßen mit großem Durchmesser negativ aus. Das Herz wird dadurch neben der bereits erhöhten Schlagfrequenz, durch einen erhöhten Druck zusätzlich belastet.

In den Blutgefäßen mit geringem Durchmesser, wie beispielsweise den Arteriolen und Kapillaren, verhält sich das Blut durch den "Fähraeus-Lindqvist-Effekt" völlig anders als in den weitlumigen Gefäßen. Die Erythrozyten nehmen durch ihre Fluidität (Verformbarkeit) in engen Gefäßen eine tropfenförmige Gestalt an. Da die Membran der Erythrozyten nicht starr ist, passt sie sich dem Zellinhalt an und kann sich um den Zellinhalt herum bewegen, was bewirkt, dass sich die Erys zur Mitte des Gefäßes hin sammeln und eine, von einem Plasmamantel umgebene, Zellschlange bilden, wodurch die Viskosität stark herabgesetzt wird und dadurch günstige Fließeigenschaften entstehen.


1 Kommentar:

  1. Ganz kurz gesagt würde ich sagen, dass Training für unsere Pferde auch deshalb die Neigung zu Hufrehe verringert, weil eben so ständig die Durchblutung der Kapillaren gefördert wird.

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